#105 EU-Lieferkettengesetz: Gegen Zwangsarbeit und Umweltsünde

April 28, 2024 00:54:21
#105 EU-Lieferkettengesetz: Gegen Zwangsarbeit und Umweltsünde
MONTALK - Der Podcast zum Mitreden
#105 EU-Lieferkettengesetz: Gegen Zwangsarbeit und Umweltsünde

Apr 28 2024 | 00:54:21

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Show Notes

Millionen Männer, Frauen und Kinder arbeiten in den globalen Lieferketten unter menschenunwürdigen Bedingungen: Sie erhalten niedrige Löhne, sind oft Misshandlungen am Arbeitsplatz ausgesetzt und riskieren ihr Leben in unsicheren Fabriken. Das EU-Lieferkettengesetz soll Unternehmen zur Verantwortung ziehen und die globalen Arbeitsbedingungen verbessern. Expertin Sarah Bruckner von der AK Wien erklärt, welche Auswirkungen das Gesetz hat, wie es umgesetzt wird und warum gerade Österreich und Deutschland nicht dafür gestimmt haben.


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Episode Transcript

[00:00:01] Speaker A: Montalk, der Podcast zum Mitreden. Herzlich willkommen beim Montalk, dem Podcast der Arbeiterkammer Niederösterreich. Dies ist die Folge 105. Wir sprechen über die EU, weil wir das gerne machen und weil wir das für wichtig halten und weil natürlich auch die EU-Wahlen vor der Tür sind. Insbesondere geht es jetzt in dieser Show um das Lieferkettengesetz. Unser Titel heißt Gegen Zwangsarbeit und Umweltsünde. Ja, da waren wir drastisch unterwegs bei der Betitelung. Ich glaube aber nicht, dass wir wirklich wesentlich übertreiben. Millionen Männer, Frauen, Kinder arbeiten in den globalen Lieferketten, zum Teil unter menschenunwürdigen, Bedingungen, niedrige Löhne, Misshandlungen am Arbeitsplatz. Manche riskieren ihr Leben in unsicheren Fabriken. Und das EU-Lieferkettengesetz soll Unternehmen zur Verantwortung ziehen. Unternehmen! Nämlich nicht wir sollen allein als Konsumenten die Verantwortung über die gesamte Lieferkette, der Kette dessen, das was wir da kaufen, übernehmen, sondern natürlich die Unternehmen und es geht darum die globalen Arbeitsbedingungen natürlich zu verbessern. Und Sarah Bruckner von der Arbeiterkammer Wien erklärt uns, welche Auswirkungen das Gesetz hat, wie es umgesetzt werden wird. Denn ich glaube, es wurde gestern beschlossen. Sicher bin ich mir nicht, Frau Bruckner wird uns das erklären. Und warum gerade Österreich und Deutschland damals nicht dafür gestimmt haben. Guten Tag, Frau Bruckner. [00:02:00] Speaker B: Hallo, danke für die Einladung. [00:02:02] Speaker A: Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen. Wir erwischen Sie nämlich gerade in Brüssel, richtig? Ja, das stimmt. In Ihrem Büro. Und diese Abstimmung gestern ist wie verlaufen, Sarah Bruckner? [00:02:20] Speaker B: Ja, ich möchte gerne am Anfang sagen, ich glaube, beim EU-Lieferkettengesetz, da geht es wirklich um Gerechtigkeit. Sie haben das sehr schön beschrieben, die Ausbeutung entlang der Lieferkette. Und ich denke, wir haben ja alle dieses Wissen darüber, dass Menschen vor allem im globalen Süden ausgebeutet werden, die Umwelt zerstört wird und dann Unternehmen Profit daraus ziehen. Und daher ist es ein Gedanke der Gerechtigkeit, dass die Unternehmen dann auch Verantwortung übernehmen sollen und ihre Lieferketten überprüfen müssen. Und das schreibt nun das EU-Lieferkettengesetz in Zukunft vor. Und gestern wurde im Plenum des EU-Parlaments mit 374 Stimmen dafür, 235 dagegen und 19 Enthaltungen dieses EU-Lieferkettengesetz angenommen. [00:03:25] Speaker A: Ich möchte Ihnen jetzt, liebe Hörerinnen und Hörer, kurz erklären, wir nehmen diesen Podcast am Donnerstag auf. Wenn Sie ihn also als treue Hörerin am Montag hören, dann wurde selbstverständlich nicht am Sonntag abgestimmt, sondern am Mittwoch, dem 24. Genau. Gut. Wenn ich Ihnen da so zuhöre, dann erinnert mich dies an viele, viele Forderungen. Und ich sehe förmlich viele schulterzuckende Konsumentinnen vor mir, die sagen, was sollen wir denn machen? Wir haben doch gar keine Möglichkeit. Das wird doch unter den großen Unternehmen ausgemacht. Und die halten sich nicht daran. Auf Deutsch, werden die bestraft, wenn sie sich nicht dran halten? Und wie werden sie bestraft? [00:04:23] Speaker B: Ja, also das EU-Lieferkettengesetz enthält auch Strafen. Aber ich glaube, was ganz wichtig ist zu sagen, ist, es geht beim EU-Lieferkettengesetz um Prävention, um das Verhindern von Menschenrechtsverletzungen, von Umweltschäden. Das ist wirklich der Grundgedanke. Das ist auch der Grund, warum die Arbeiterkammer sich so sehr einsetzt für dieses Lieferkettengesetz und es ist auch ein interessanter Zufall, dass diese Abstimmung im EU-Parlament am 24. April genau auf den Jahrestag der Katastrophe von Rana Plaza gefallen ist. Am 24. April 2013 ist eine Textilfabrik in Bangladesch eingestürzt. Das Gebäude hatte bereits davor schon Risse. Die ArbeiterInnen haben das schon gemeldet und wurden aber gezwungen in diesem unsicheren Gebäude weiter zu arbeiten und es ist dann eingestürzt. Und es sind dann über 1000 Menschen, vor allem TextilarbeiterInnen, zu Tode gekommen. Es gab auch unzählige Verletzte. Und das war eigentlich auch wieder so ein Weckruf, der eine breitere Debatte ausgelöst hat. Und genau elf Jahre später hat das EU-Parlament nun das EU-Lieferkettengesetz angenommen. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Ja, das EU-Lieferkettengesetz enthält auch Strafen. Die EU-Mitgliedstaaten sollen Behörden einrichten, die dann auch die Pflichten, die das Lieferkettengesetz den Unternehmen sozusagen mitgibt, überprüft und wenn Pflichtverstöße festgestellt werden, eine Strafe. Ich denke, wir alle wissen, dass Gesetze ohne Strafe dann oft eben nicht eingehalten werden. Das heißt, das ist ein wichtiger Punkt. Aber wie gesagt, das Ziel ist es, präventiv tätig zu werden. [00:06:34] Speaker A: Ja, an dieser Stelle glaube ich, ist es gut, wenn wir uns jetzt gemeinsam unsere Faktenbox anhören, wie immer mit Bettina Schapsschneider. [00:06:45] Speaker C: Am 24. April 2013 stürzte die Rana Plaza Textilfabrik in der Nähe von Bangladesch ein. Dabei fanden 1.135 Arbeiterinnen und Arbeiter den Tod. 2.438 Arbeiterinnen und Arbeiter wurden verletzt. Dieses Ereignis befeuerte die öffentliche Diskussion um ausbeuterische Produktionsbedingungen und sollte auch die Lieferketten zu den Auftraggebern in den Blickpunkt drücken. In den globalen Lieferketten arbeiten Millionen Männer, Frauen und Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen. Sie erhalten Löhne unter dem Existenzminimum, werden am Arbeitsplatz misshandelt und immer wieder sterben Menschen durch Unfälle in Fabriken. Alleine in der Textilindustrie arbeiten weltweit rund 75 Millionen Menschen. 85 Prozent davon meist junge Frauen. Das EU-Lieferkettengesetz zielt darauf ab, Menschenrechte und Umweltschutz entlang globaler Lieferketten zu stärken und Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen. Laut einer Studie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 haben freiwillige Standards bisher nicht gewirkt. Nur ein Drittel der EU-Unternehmen führt Sorgfaltsprüfungen in Hinblick auf Menschenrechte, Umweltschutz und Arbeitsstandards in den Lieferketten durch. Einzelne WirtschaftsforscherInnen warnen vor negativen ökonomischen Auswirkungen des Gesetzes und fürchten Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen. Am 15. März 2024 fand sich für das Gesetz die notwendige qualifizierte Mehrheit unter den EU-Staaten. Deutschland und Österreich entzielten sich. [00:08:25] Speaker A: So, das war die Faktenbox. Diese Geschichte 2013, 24. April hat uns alle geschockt. Allein, sie war nicht einzigartig. Und mir ist in Erinnerung gekommen, dass es da ein Unternehmen gibt, irgendwo im asiatischen Raum, das heißt, glaube ich, Foxconn, und baut Handys, Smartphones. Allen voran für Apple. Und da waren, was ich mich recht erinnere, die Arbeitsbedingungen so grottig, dass die Leute krank wurden. Und zwar emotional krank, psychisch krank. Und so depressiv, weil sie damit natürlich keine Anlaufstelle hatten dort, alleingelassen waren. Ich drücke jetzt so drauf, liebe Leute, weil ich möchte, dass wir das alles mal in Relation sehen zu den Verhältnissen, die wir in unserem Land haben. Sodass diese armen Menschen dann sich reinweise, ist keine Übertreibung, umgebracht haben. Am Arbeitsplatz. Sie sind aus dem Fenster gesprungen. Daraufhin hat die Führung dieser Firma Foxconn, nachdem natürlich Apple in Cupertino gemeint hat, wir wissen da nichts von, also wir werden uns das Zeitnah anschauen. Sie kennen diese Gesichtspfuzze, die da immer wieder rausgelassen werden. Ja, das war vor meiner Zeit und das werden wir uns dann genau anschauen. So, dabei ist nichts rausgekommen. Das, was wir dann gehört haben, war, dass die Firma Netze ab dem dritten Stock unter die Fenster gezogen hat, damit die Menschen, wenn sie denn schon springen, am Leben bleiben, möglicherweise gesund genug, um am nächsten Tag wieder zu erscheinen. Und sie haben gleichzeitig Oh Mann, die Verträge insofern erneuert, als ein neuer Passus zu den Arbeitsverträgen kam, der es den Mitarbeitern tatsächlich per Strafe verboten hat, sich umzubringen. am Arbeitsplatz. Das muss man sich mal, nur damit wir wissen, Leute, wovon wir hier sprechen. Das ist nicht nur einfach irgendein Gesetz, irgendein schicker Name, Lieferkettengesetz und so weiter, sondern da steckt wirklich viel dahinter und zwar sehr viel Menschliches. Ist dieser Sieg Frau Bruckner, es war am 24. April ein Sieg. Ist das ein Sieg über eine gesamte Industrie oder mehrere? Ich glaube, es geht hier vor allem um so große Bereiche wie Textil, Palmöl, Kakao, Automobilindustrie. War das ein Triumph der Menschlichkeit über den Profit? Oder werden diese Unternehmen jetzt wieder sagen, das sieht es mal aus, das zahlen wir aus der Portokasse. Werden die bestraft? Wie werden sie bestraft? [00:11:55] Speaker B: Ja, also ich denke, das Lieferkettengesetz ist wirklich ein großer Sieg, der zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen wird. Allerdings steht auch noch in der Umsetzung sehr viel Arbeit bevor. Eine Richtlinie muss ja von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden dann noch in nationales Recht. Aber ich möchte gerne zwei Punkte sagen zu dem, was Sie jetzt gerade angesprochen haben. Das eine ist, es ist natürlich ein furchtbar zynisches Beispiel, dieses Foxconn-Beispiel, das Sie erwähnt haben. Aber was mir auch sehr wichtig ist zu erwähnen, ist, dass wir ja den Aufschrei immer dann haben, wenn solche Extrembeispiele uns über die Medien bekannt werden. Und was aber, finde ich, auch sehr wichtig ist zu erwähnen, ist, dass tatsächlich in den letzten zehn Jahren Arbeitsrechte weltweit einfach immer mehr von Jahr zu Jahr mehr verletzt werden. [00:12:58] Speaker A: Auch bei uns. [00:12:59] Speaker B: Ja, also der internationale Gewerkschaftsbund gibt jedes Jahr den sogenannten globalen Rechtsindex heraus und in der Ausgabe 2023 gibt es eine Rückschau auf die letzten zehn Jahre und wirklich bei allen Bei fast allen wesentlichen Arbeitsrechten gab es einfach einen massiven Anstieg, also sei es beim Recht, eine Gewerkschaft zu gründen, beim Recht auf Tarifverhandlungen, einfach Versammlungsfreiheit, Redefreiheit, das sind ganz einfach essentielle Arbeitsrechte, die auch weltweit gelten durch die internationale Arbeitsorganisation, durch die ELO und die einfach von Jahr zu Jahr immer mehr unter Beschuss geraten. Und das muss man einfach auch einmal wirklich so festhalten. Und das Zweite, was ich gerne erwähnen möchte in dem Zusammenhang, was auch eine Besonderheit des EU-Lieferkettengesetzes ist, dass es eben nicht nur europäische Unternehmen erfasst, sondern auch Unternehmen aus Drittstaaten, die innerhalb des EU-Binnenmarktes ihre Produkte verkaufen, die da Umsatz machen, sind von diesen Pflichten erfasst und müssen auch ihre Lieferketten entsprechend überprüfen. Das ist schon eine Besonderheit, weil es nicht selbstverständlich ist, sozusagen zu erwähnen. Und das ist, glaube ich, sehr wichtig. [00:14:32] Speaker A: Die Arbeiterkammer Niederösterreich bzw. Österreich hat ja eine Studie in Auftrag gegeben, aus der sich ganz klar herauslesen lässt bzw. beweisen lässt, dass ein wirksames EU-Lieferkettengesetz positive wirtschaftliche Auswirkungen für den globalen Süden und auch die europäische Wirtschaft haben kann. Ich sehe sie freudig nicken. Ich bin froh darauf, denn das hat doch etwas direkt mit dem, nicht dem einzigen, aber einem der Top-3-Themen schon gar in diesem Wahljahr zu tun, nämlich die Flüchtlingsproblematik. Je besser es den Menschen geht, vor allem im globalen Süden, desto weniger kommen sie auf die Idee, flüchten zu müssen, schon gar unter diesen lebensgefährlichen Bedingungen. Habe ich das jetzt zu vereinfacht, Frau Bruckner? [00:15:36] Speaker B: Nein, da stimme ich zu. Also ich denke, wenn wir über Flüchtlinge sprechen, dann ist es wichtig, über die Fluchtursachen zu sprechen. Und natürlich, wenn die Lebensperspektiven dort, wo ich lebe, positiv sind und auch das Klima es erlaubt, dass ich dort, wo ich lebe, leben kann. und auch arbeiten kann ohne Ausbeutung, dann natürlich trägt das dazu bei, dass dann die Menschen auch nicht gezwungen sind zu flüchten. Ich habe vorher nicht geantwortet auf die Frage, welche Sektoren erfasst sind vom Lieferkettengesetz. Es sind an sich alle Sektoren erfasst. Das ist eine horizontale Regelung. Der Finanzsektor ist großteils ausgenommen und zwar in der Hinsicht, dass die sogenannte nachgelagerte Lieferkette ausgenommen ist. Das heißt, dass sozusagen diese Sorgfaltspflicht, wo es eben darum geht zu überprüfen, welche Auswirkungen hat denn die Unternehmenstätigkeit auf Menschenrechte, auf Umwelt, Was ja eben im Finanzsektor dann größtenteils dann interessant ist, wenn ich mir die Frage stelle, welche Auswirkungen hat es, wenn ich etwas finanziere, wenn ich irgendwo Geld zur Verfügung stelle. Und dieser Bereich ist eben genau nicht erfasst vom Lieferkettengesetz. Das ist natürlich ein großer Wermutstropfen. Aber ansonsten sind tatsächlich einfach alle Sektoren horizontal erfasst. Da gibt es jetzt nicht eine Beschränkung auf einzelne Bereiche. [00:17:16] Speaker A: Sehr gut, und erlauben Sie mir an dieser Stelle Ihnen, stellvertretend für alle Ihre Kolleginnen und Kollegen da in Brüssel und auch in Straßburg, zu gratulieren. Denn das, stelle ich mir vor, war nicht einfach. Wie lange haben Sie da rumgebastelt? [00:17:32] Speaker B: Ja, da möchte ich auch die Kampagne erwähnen. Gerechtigkeit geht alle an. Justice is everybody's business, die die Arbeiterkammer und auch der Europäische Gewerkschaftsbund und viele, viele NGOs unterstützt haben und wo es wirklich, ja, also wie lange haben wir da dran gearbeitet? Viele Jahre lang, wir uns immer wieder dafür eingesetzt haben, dass eben keine Verwässerungen kommen, dass die Richtlinie gut ausgestaltet wird. Die EU-Kommission hat 2019 erstmals den Vorschlag vorgelegt für das EU-Lieferkettengesetz Und die Kampagne hat dann eben auch zu diesem Zeitpunkt begonnen. Allerdings haben wir auch schon davor viele, viele Jahre uns für so eine Regelung eingesetzt. Sie wissen vielleicht, dass Frankreich seit 2017 ein eigenes Lieferkettengesetz hat. Das heißt, die Debatte geht schon viel weiter zurück. 2011 hat die UNO die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet, die eben leider nicht zwingend rechtlich sind. Und ja, also die letzte Kampagne, Gerechtigkeit geht alle an, war dann eben speziell auf dieses Lieferkettengesetz bezogen, wo wir alle sehr gut zusammengearbeitet haben. [00:18:54] Speaker A: Wenn Sie das sagen, dass Sie alle zusammengearbeitet haben und so weiter, dann müssen wir uns oder dann stellen wir uns das so vor, dass es da natürlich auch eine andere Seite gibt. Leute, die andere Interessen haben. Die sogenannten oder auch Lobbyisten. Von denen ist ja, ich habe mal gehört, Tausende. mitunter gibt in Brüssel, die bezahlt, fürstlich bezahlt und ausgestattet mit enormen Spesen konnten, weil sie ja jeden Tag dreimal essen gehen mit irgendwelchen. Und nochmal Leute, das ist okay, das ist gesetzlich verankert im EU-Gesetz. Das ist in Ordnung, weil sie zwingen ja nicht jemanden. Sie versuchen nur die Argumentation der Wirtschaft, die ja zum Beispiel bei dem Thema, das wir vorher besprochen haben, nämlich dass ein EU-Lieferkettengesetz im globalen Süden Gutes anrichtet, da behauptet die Wirtschaft und die Industrie sehr gerne einmal das Gegenteil. Dass die europäische Position, Wirtschaftsposition im globalen Wettbewerb dadurch gefährdet Sei, wie läuft das eigentlich mit eurer Konfrontation mit diesen Damen und Herren, die da Lobbyismus betreiben? Seht ihr die in der Kantine? Meidet ihr euch? Gibt es Beschimpfungen vor der Tür? Wie läuft das ab? Weil es sind die Feinde, oder? [00:20:39] Speaker B: Aus meiner Wahrnehmung läuft das sehr diskret ab und interessanterweise ist meine Beobachtung auch die, dass sich der Diskurs zum Lieferkettengesetz und zur Verantwortung der Unternehmen für Menschenrechte, nennen wir es beim Namen, auch gewandelt hat, denn viele Wirtschafts- und Industrievertreter, Verbände sagen eigentlich nicht mehr offen, nein, das wollen wir nicht und wir sind dagegen, sondern sie sagen, ja, das stimmt schon, wir müssen da was machen, aber so wie dieses Lieferkettengesetz ausgestaltet ist, so bitte nicht. Es ist schon interessant, weil diese Konfrontation eben keine direkte ist. Also man kann natürlich schlecht auftreten und gegen die Einhaltung von Menschenrechten auftreten. Und das machen auch diese Verbände nicht. [00:21:37] Speaker A: Erklären Sie uns kurz, warum die sich davor fürchten? Warum? Weil sie sind ja jahrzehntelang so aufgetreten. Sie haben jahrzehntelang gesagt, geht es euch brausen mit den Menschenrechten? Hier geht es um Erträge, Profite und dann Arbeitsplätze. Das war ja die Megakeule über Jahrzehnte, wenn es um Fortschritt ging. Wovor fürchten die sich? [00:22:07] Speaker B: Also, ich denke, der Diskurs hat sich schon in den letzten Jahrzehnten geändert, allerdings auf eine Art und Weise, mit der wir nicht zufrieden waren, nämlich es gibt ja schon lang die sogenannte Corporate Social Responsibility, wo Unternehmen auf freiwillige Standards setzen, wo sie sich, wo sie damit werben, dass sie für Nachhaltigkeit stehen und so weiter. [00:22:30] Speaker A: Und wir haben ja, Verzeihung, gesehen, was dabei rauskommt. Also CSR war ja eine Lachnummer. Und weil diese Lachnummer funktioniert hat, wurden die gleichen Mechanismen jetzt auch beim Fußabdruck, bei dem Handel, mit den Zertifikaten angewandt. Das wird ins Budget mit eingerechnet. Das kostet die einen Augenbrauenzucker. Hat sich da etwas verändert? Ich will auf etwas ganz Bestimmtes hinaus. Können wir als Konsumenten und Konsumentinnen für euch, die ihr da für uns kämpft, für die ganze Welt eigentlich, helfen, unterstützen? Und wenn ja, wie? Geht das im Geschäft? Wenn ich einkaufen gehe? [00:23:27] Speaker B: Das ist das schwierige Thema der vielen Zertifikate und Labels. Das Thema wird uns weiterhin begleiten mit dem Lieferkettengesetz. Es ist auch im Lieferkettengesetz vorgesehen, dass die Unternehmen, die eben ihre Lieferketten überprüfen müssen, sich da gewisse Hilfestellungen holen können. Das heißt, da sind auch Zertifikate nicht ganz ausgeschlossen. Was aber wichtig ist und was auch sozusagen das Neue ist, ist, dass dann aber nicht quasi die Verantwortung ausgelagert werden kann. Es ist einfach jetzt so geregelt, dass das Unternehmen schlussendlich dann die Verantwortung trägt für die Arbeitsbedingungen, für die Menschenrechte entlang der Lieferkette, auch wenn Hilfsmittel hinzugezogen werden. Und jetzt konkret die Frage, wie können die KonsumentInnen wissen, mit welchen Produkten sie gut dran sind? Das ist eine Frage, die jetzt auch das Lieferkettengesetz in der Form nicht direkt löst. Aber was einfach wichtig ist, ist, dass die Konsumentinnen wissen, dass es jetzt eine gesetzliche Regelung gibt und eben nicht nur diese Labels, die sich ja selbst ihre Regeln schaffen, wonach sie sich richten, dass zumindest diese Regeln da sind. Und ja, die Umsetzung, die wird dann natürlich noch spannend. Wir haben vorhin über Strafen gesprochen. Das EU-Lieferkettengesetz sieht auch Strafen vor. Aber was auch ein wichtiger anderer Aspekt ist, ist, dass dieses Lieferkettengesetz auch denjenigen, die betroffen sind, sprich Menschen, die ausgebeutet werden, die unter der Umweltverschmutzung unmittelbar leiden, dass denen auch ein Werkzeug in die Hand gegeben wird mit dem EU-Lieferkettengesetz, mit dem sie dann auch gegen die Unternehmen, die dafür verantwortlich sind, vor Gericht vorgehen können. [00:25:45] Speaker A: Auf europäischer Rechtsbasis? [00:25:50] Speaker B: Das ist dann wieder eine kompliziertere Frage. Die Rechtsbasis an sich ist natürlich schon im Hilferkettengesetz geregelt und kommt dann auch dementsprechend zur Anwendung, also sprich diese Sorgfaltspflicht. Aber trotzdem ist klar, dass immer noch sehr, sehr viele Hürden zu bewältigen sind. Unter anderem die Frage, wie kann ich das überhaupt beweisen, dass mir jetzt ein Schaden entstanden ist, dadurch, dass dieses Unternehmen nicht sorgfältig war und so weiter. Aber ich glaube, wir haben jetzt schon auch gesehen beim französischen Lieferkettengesetz, dass es wichtig ist, allein schon die Möglichkeit zu haben, diese Fälle vor ein Gericht zu bringen. Wir wissen, dass bisher so gut wie kein Fall der Gerichts anhängig gemacht wurde. Ich erinnere zum Beispiel an den sogenannten Kick wo eine Textilfabrik in Pakistan gebrannt hat. Es ist ein Feuer ausgebrochen. Es sind 258 Menschen gestorben, die dann vor einem deutschen Gericht geklagt haben und dann schlussendlich nicht Recht bekommen haben, weil der Fall schon verjährt war. Also solche Fälle kennen wir zur Genüge. Die Herausforderungen werden auch mit dem EU-Lieferkettengesetz weiterhin bleiben. Aber trotzdem ist es, glaube ich, für die Debatte gut, wenn diese Fälle vor Gerichte kommen, weil sie dann auch wiederum die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein erhöhen und dann aber auch hoffentlich schlussendlich irgendwann Betroffene wirklich auch zu Gericht ihr Recht bekommen. Das wäre natürlich das Ziel. Da müssen wir abwarten, wie die Umsetzung dann genau aussieht. [00:27:48] Speaker A: Also die größte Strafe ist ja doch für Erzeuger von Produkten und Anbieter von Dienstleistungen jene, dass man ihnen bei den Erträgen etwas wegnimmt. Das ist die wirksamste. Und jetzt habe ich aber noch nicht herausgefunden, wie wir das machen können. Wir, die wir nicht in Brüssel sitzen, die wir auch keinen direkten Zugang zu jenen haben, deren Produkte wir da kaufen. Soweit ich weiß, liebe Frau Bruckner, gibt es noch keine App, die wir im Supermarkt an die Produkte halten, die uns genau sagen, was da los ist? Oder irre ich mich hoffentlich? Haben Sie was erfahren? [00:28:35] Speaker B: Für eine App ist mir leider auch nichts bekannt. Ich denke, wo wir schon als Konsumentinnen eine Macht haben, ist, wenn einfach ein Image-Schaden entsteht für die Unternehmen. Der ist ja dann doch gegeben, wenn Betroffene vor Gericht sind und dann natürlich auch die Konsumentinnen ihre Kaufentscheidung dementsprechend treffen können. [00:29:07] Speaker A: Wollen wir uns jetzt mal anhören? wie die Menschen wirklich darauf reagieren. Wir haben sie nämlich gefragt. Wir haben eine Straßenumfrage gemacht, die wir jedes Mal machen im Mondtalk in der City von St. Pölten. Unser wunderbarer Kollege Christoph war dort und hat die Menschen konfrontiert mit dem Titel, mit dem Begriff des Lieferkettengesetzes. Hören wir mal, was die dazu sagen. Was halten Sie vom Lieferketten-Gesetz? Das kenne ich gar nicht. [00:29:45] Speaker B: Entschuldigung, da war ich auf der falschen Adresse. [00:29:48] Speaker A: Sagen wir so, das Lieferketten-Gesetz, da geht es um irgendwelche Fairness-Geschichten, oder? Es wird schwierig, es durchzusetzen. Sagen wir so. [00:29:57] Speaker B: Also ich glaube, da bin ich echt die falsche Adresse. [00:30:00] Speaker A: Was halten Sie denn vom Lieferketten-Gesetz? Habe ich nur am Rande gehört. Nur am Rande, dass eben Produkte nachvollziehbar sind bis zu ihrem Ursprung. Klingt nicht schlecht, prinzipiell. [00:30:14] Speaker D: Ich habe mich zu wenig damit beschäftigt, aber wenn es den Sinn hat, dass eine Kinderarbeit oder viel zu viel Stundenarbeit damit eingedämmt werden könnte, sage ich bewusst könnte, macht es schon Sinn, aber ich glaube, dass diese großen Konzerne sich nicht sehr daran halten werden. Die wissen ja teilweise jetzt gar nicht, was sich da anspielt, woher sie die Waren haben. [00:30:37] Speaker B: Was ist das Lila-Ketten-Gesetz? Das kenne ich noch gar nicht. [00:30:40] Speaker A: Und achtest du beim Einkaufen von Kleidung zum Beispiel, wo das herkommt? [00:30:44] Speaker B: Ja, schon. Ich würde schon schauen, dass man im Nachhaltig etwas schaut, was vielleicht sogar in Land produziert worden ist und nicht unter zu schlechten Bedingungen. [00:30:53] Speaker A: Ich persönlich kaufe eh nur Qualitätsware. Die meisten Leute schauen am Preis. [00:30:57] Speaker D: Also ich kaufe keine T-Shirt um 5 Euro, das mache ich nicht. Aber wenn es steht, hergestellt in EU, weiß man auch nicht, wo in der EU. Das kann in Albanien an der Nordgrenze sein, wo es denen auch nicht gut geht, sage ich jetzt einmal, oder? [00:31:11] Speaker A: Und wenn Sie Kleidung kaufen, schauen Sie dann, wo die herkommt? Nein, schaue ich nicht. Nein. [00:31:21] Speaker B: Teilweise ja, schon. Die 0815 kaufe ich nicht. Also die ganz günstigen und billigen, weil das macht ja die Kinderarbeit. [00:31:35] Speaker A: Ich bin stolz. Ich bin stolz, Frau Bruckner. Sie auch? [00:31:42] Speaker B: Ja, sehr. Die richtigen Stichwörter sind gefallen. Es geht um Zwangsarbeit, es geht um Kinderarbeit. Und wenn das die ersten Assoziationen sind mit dem Lieferkettengesetz, dann haben die Leute definitiv verstanden, worum es geht. [00:31:59] Speaker A: Ist denn diese Bereitschaft zur Solidarität das Einzige, was uns sozusagen betrifft? Können wir nicht mehr machen? Ich lasse nicht aus. Ich will wissen, wo unser Platz in diesem Kampf ist. Als nur solidarisch als Arbeitnehmer und Nehmerinnen in Österreich mit den Arbeitnehmerinnen in Bangladesch, wo auch immer, Das, fürchte ich, wird auf Dauer nicht funktionieren. Das erodiert gemeinhin dann immer sehr, sehr schnell. Was haben wir davon, wenn die Lieferkettengesetze eingehalten werden? [00:32:44] Speaker B: Naja, also zunächst möchte ich einmal sagen, wir wissen, am 9. Juni stehen die EU-Wahlen an und ich denke, wo wir alle einen großen Hebel haben, ist, wenn wir von unserem Wahlrecht Gebrauch machen, weil damit bestimmen wir, die EU-Politik der kommenden fünf Jahre mit und wie die gestaltet ist, das wird auch eine Auswirkung haben in der Welt und somit auch auf die ArbeitnehmerInnen nicht nur in der EU, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Das wäre einmal ein ganz wichtiger Appell, sich da auch anzuschauen, wofür stehen die Parteien und wem gebe ich meine Stimme und wo Genau. Wo liegen meine Interessen? Wo sind die gut aufgehoben? [00:33:30] Speaker A: Wo liegt meine Power vor allem? Die Power an der Urne. [00:33:34] Speaker B: Ich kann wählen. Genau. Richtig. Ja, das ist einmal ein wichtiger Punkt. [00:33:46] Speaker A: Wir haben schon über die Flüchtlingsfrage gesprochen, die hängt direkt damit zusammen. Wir können also, wenn wir uns solidarisch mit diesen Gesetzen, da geht es ja um weitaus mehr als die Lieferkettengesetze, da geht es ja zum Beispiel auch um das Recht auf Reparatur. Nicht, dass wir den Müll einschränken, den wir haben etc. Das ist ein anderes Gesetz, wird aber glaube ich gleich jetzt oder wurde am 24. mit besprochen. Sehe ich das richtig? [00:34:21] Speaker B: Genau, ist jetzt ein anderer Rechtssatz, ist nicht im Lieferkettengesetz geregelt, aber was wir schon auch im Lieferkettengesetz drin haben und was auch ein Punkt ist, für den die Arbeiterkammer und die Gewerkschaften sich ganz stark eingesetzt haben, ist nämlich, dass die Unternehmen, wenn sie ihre sogenannten Sorgfaltspflichten umsetzen, Sorgfaltspflicht bedeutet, das Unternehmen überprüft die Lieferkette, Dass sie auch mit den relevanten Leuten, die betroffen sind, sprechen müssen. Dass sie, man nennt das Stakeholder, die Menschen, die davon betroffen sind, von den Tätigkeiten, die ihr Unternehmen macht, dass die einbezogen werden müssen. Und da stehen natürlich auch Arbeitnehmer, VertreterInnen, Gewerkschaften ganz an erster Stelle. [00:35:09] Speaker A: So sie zugelassen sind. Muss man ja auch mal sagen. Es gibt ja Unternehmen, die sich nach wie vor dagegen verwehren, dass es z.B. so etwas Grundsätzliches tut. und in seinem Erfolg auch bewiesenes Gesetz gibt, nämlich einen Betriebsrat. [00:35:31] Speaker B: Also da setzt auch schon genau an dieser Stelle das Lieferkettengesetz an. Das Lieferkettengesetz unterscheidet nicht zwischen Arbeitsrechten und Menschenrechten, Solche zentralen Arbeitsrechte, nämlich die Vereinigungsfreiheit, das ist ein Menschenrecht. Das ist ein Menschenrecht, da gibt es keine Unterscheidung. Und wenn eben in einem Unternehmen genau solche Verletzungen stattfinden, dann ist das definitiv ein Fall, der das Lieferkettengesetz verletzt sozusagen und wo dann die Behörden tätig werden müssten. Also genau da setzt ja auch schon das Lieferkettengesetz an und das ist sicher ein wichtiger Hebel für Solidarität auch, die Sie angesprochen haben. Wie können wir solidarisch sein mit Kolleginnen entlang der Lieferkette? [00:36:31] Speaker A: Absolut. Nur verzeihen Sie aber Diese Geschichte mit der Solidarität, mit der haben wir ein bisschen ein Problem seit ein paar Jahren. Und wir wissen ja auch alle, dass die Solidarität auch ihre Grenzen hat, nämlich wenn es um die eigene Existenz geht. Daher versuche ich immer grundsätzlich, zusätzlich zur Solidarität, die ich natürlich auch beschwöre unter allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, etwas anzubieten, was außerhalb dieser emotionalen Dimension ist. Und wir wissen natürlich alle, wie gut es sich anfühlt, wenn man Solidarität zeigt. Wenn man auf der Straße war zum Beispiel und demonstriert hat gegen Arbeitsbedingungen. Es ist ein gutes Gefühl, wenn man da nach Hause kommt. Das weiß ich. Und auch wenn man ein blaues Auge mitbringt, es tut einfach gut. Man weiß, wer man ist. Allein, irgendwann ist damit Schluss. Gibt es nicht noch. Etwas anderes, was wir verdeutlichen können, was passiert, wenn wir diese Lieferketten nicht so einhalten und vor allem mithelfen, dass sie eingehalten werden. Wir haben jetzt mal das Flüchtlingsproblem. Ist es nicht so, dass wenn wir heute nicht Solidarität mit denen zeigen, dass wir morgen, wenn wir Solidarität brauchen, auch mit keiner zu rechnen haben? Ist doch ganz einfach, oder? [00:38:05] Speaker B: Man kann dieses Argument bringen, man kann aber auch ein ganz handfestes ökonomisches Argument bringen und sagen, dass eine Anhebung von sozialen Standards weltweit ja auch dazu beiträgt, Sozialdumping und Lohndumping weltweit zu verhindern. Denn der wahre Grund, warum überhaupt Lieferketten so lang und komplex sind, ist ja, dass die Unternehmen sozusagen die Löhne auslagern wollen und einen Vorteil daraus ziehen wollen, dass eben anderswo auf der Welt die ArbeitnehmerInnen weniger entlohnt werden. Und wenn wir insgesamt dafür verbesserte Arbeitsbedingungen, verbesserte Standards und Sorgen weltweit, dann ist das schon auch ein Beitrag. Ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man weltweit die Umstände betrifft, aber trotzdem auch ein Hebel, um insgesamt soziale Standards anzuheben und damit ja auch ein Dumping von Standards, die wir in der EU haben, zu verhindern und zumindest zurückzudrängen, sagen wir so. [00:39:15] Speaker A: Und stimmen Sie nicht auch mit mir zu, wenn ich sage, so ein Gesetz ist entstanden, weil die Menschen das Maul aufgemacht haben? Sie werden weiter bestehen und verbessert werden, wenn wir weiterhin uns auch darum kümmern und das einfordern. [00:39:38] Speaker B: Unbedingt. Wie gesagt, die Arbeit steht ja auch noch bevor. Es ist jetzt mal der Beschluss auf EU-Ebene. Jetzt kommt die Umsetzung. Also die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit für die Umsetzung und dann beginnt erst gestaffelt, auch nach Unternehmensgröße, die Anwendung. Das heißt, da liegt noch viel Arbeit vor uns und da werden wir uns auch weiterhin als Arbeiterkammer sehr dafür einsetzen, dass die Umsetzung gut gelingt. Wir haben auch wirklich schon oft die österreichische Bundesregierung dazu aufgerufen, das EU-Lieferketten-Gesetz zu unterstützen. [00:40:19] Speaker A: Was sie nicht getan haben. [00:40:21] Speaker B: Wie Sie wissen, genau, hat sich Österreich auch in der letzten entscheidenden Abstimmung auf EU-Ebene, also unter den EU-Mitgliedstaaten, enthalten. Also Justizministerin Zadic hat sich dafür ausgesprochen, Wirtschafts- und Arbeitsminister Kocher dagegen. Wissen wir warum? Auf EU-Ebene kommt aber einer Gegenstimme gleich. Es zählen ja nur die Pro-Stimmen. Und das ist schon sehr enttäuschend, weil Österreich ja eigentlich eine Vorreiterrolle einnehmen sollte, wenn es um Menschenrechte geht, wenn es um den Kampf geht gegen Kinderarbeit, um den Kampf gegen Zwangsarbeit. Und das ist leider nicht passiert. Warum? Also aus unserer Sicht hat schon auch in Österreich, nicht nur auf Brüsseler Ebene, sondern schon auch in Österreich die Wirtschaftslobby da sehr groß mitgemischt. Was sehr bedauerlich ist, weil wir auch wissen, auch aus Fernsehberichten, vorher hilft das auch, österreichische Unternehmen nicht geschlossen dagegen, sondern auch viele dafür sind, die sagen, wir brauchen dieses Lieferkettengesetz einfach allein schon deswegen, weil die Unternehmen, die jetzt schon auf Nachhaltigkeit setzen, ja permanent einem Nachteil ausgesetzt sind. wenn andere eben nicht sich an diese Standards halten. Und daher stellt sich eigentlich auch teilweise die Frage, wofür oder für wen die Wirtschaftslobby da tatsächlich eigentlich lobbyiert. Aber das ist schon eine Beobachtung, die wir gemacht haben. Und ja, teilweise, Sie haben es vorhin selbst schon angesprochen, ist die die Debatte auch mit fadenscheinigen Argumenten geführt worden. Es wurde davon gesprochen, dass die Vorteile des Lieferkettengesetzes für den globalen Süden wurden sozusagen in Abrede gestellt. Aber da gibt es auch zahlreiche Studien von Entwicklungsforschern, die genau das Gegenteil sagen und Die Debatte wurde da aus meiner Sicht oft wirklich mit fadenscheinigen Argumenten geführt. [00:42:51] Speaker A: Also was wir jetzt gelernt haben, liebe Frau Bruckner, ist, dass Sie da draußen in Brüssel einen Haufen dünner Bretter bohren müssen. Eins nach dem anderen, damit dann mal so ein großer Wurf und als solchen bezeichne ich das jetzt einfach mal. Wir dürfen nicht vergessen, es ist der zweite große Wurf innerhalb von kürzester Zeit. Denn der Digital Act, heißt er so? [00:43:17] Speaker B: Die Künstliche Intelligenzverordnung. [00:43:19] Speaker A: Künstliche Intelligenzverordnung, genau. Das ist ein neuer EU-Vorstoß, der mehr oder weniger, also nicht einzig, aber vor allem im Sinne unserer Kinder, gemacht wurde, um diese Digitalunternehmen, Technologieunternehmen, die ja immer größer werden, weil sie sich gegenseitig aufkaufen und ein Monopolismus ist dort ausgebrochen, dem man unbedingt Einhalt gewähren muss. Und wenn ich sage Mann, dann meine ich natürlich unsere Vertreterinnen in der EU, wie Sie. Sarah Bruckner. Und ich höre viele amerikanische Podcasts zum Thema Technologie. Alle loben die EU über den Klee für dieses Gesetz und sagen, warum können die Europäer das? Wir brauchen das auch dringend. Warum schaffen wir das nicht? Ich sage das nur, damit wir auch mal klar machen, dass die EU weltweit vorbildlich arbeitet. Stimmt doch, oder? [00:44:29] Speaker B: Ja, also wir hoffen natürlich, dass andere große Wirtschaftsblöcke jetzt auch endlich ähnliche Regelungen verabschieden, weil wir wissen, es gibt vereinzelt auf nationaler Ebene Lieferkettengesetze, die auch unterschiedlich sind. Manche haben nur Berichtspflichten, manche tatsächliche Sorgfaltspflichten. Aber das wäre natürlich wünschenswert, wenn die EU jetzt als Wirtschaftsblock vorangeht, dass dann auch noch andere große Wirtschaftsblöcke nachziehen. [00:44:56] Speaker A: Sarah Bruckner, nutzen wir unsere letzten fünf Minuten bitte dafür. Ich habe da etwas gefunden bei der Recherche, worüber ich mich sehr gefreut habe. Ich hoffe nicht zu früh. Ich frage Sie jetzt einfach. Es gibt ein Phänomen, das ganz offiziell von der EU benutzt wird, auch in diesem Zusammenhang. Und das heißt Naming and Shaming. Das bedeutet, dass man die Bösen benennt und ächtet. Und ich bin so ein großer, großer Fan davon, dass ich sage, wir haben dieses Instrument der gesellschaftlichen Ächtung von Menschen, die sich einfach falsch benehmen, auch gegengesetzlich benehmen, Das wir benutzen können, indem wir sie, früher hat man mal gesagt, im Mittelalter an den Pranger stellen, das haben wir überwunden. Aber ich finde es wichtig, dass wir uns als Gemeinschaft darauf einigen, das wollen wir nicht. Und deswegen zeigen wir auf den und sagen, der macht das. Und jetzt bitte wird geschämt, bis die das beenden und sich ihr Verhalten verändern. Wissen Sie was davon, Frau Bruckner? [00:46:23] Speaker B: Ja, ich vermute, Sie meinen das sogenannte Whistleblowing. Und das ist schon auch ein Thema im Zusammenhang mit der Lieferkettenrichtlinie, weil es natürlich auch wichtig ist, dass es Leute gibt, die Missstände, die sie wahrnehmen, auch melden, damit das auch aufgegriffen werden kann. Und das ist gut. [00:46:44] Speaker A: Bitte sagen Sie es. Das ist gut. [00:46:46] Speaker B: Und das ist gut. Das ist auch ein Bestandteil der Lieferkette. [00:46:50] Speaker A: Wir brauchen das. Genau. Jeder Einzelne, der etwas mitbekommt und jede, soll etwas auch sagen. Und nicht nur einfach sagen, geht mir nix an und das sind die Großen und so weiter. Nein. So entstehen ja im Grunde genommen diese Gesetze. Oder? Irgendwann fängt man mal an. Irgendwann hat sich jemand beschwert. So kann man das sagen. Das eine Samenkorn. Das sind wir alle. Wir sind alle Samenkörner, liebe Leute. Und zwar für eine gute, gute menschliche Ernte. [00:47:27] Speaker B: Wobei, ich denke, das Whistleblowing ist natürlich eine wichtige Sache. Aber ich denke, was uns das natürlich ausmacht, Arbeiterkammer und EGB ist unsere kollektive Stärke, dass wir nicht als Individuen sozusagen nehmen und schämen müssen, sondern dass wir im Kollektiv kämpfen können. Aber natürlich alle Fäden kommen zusammen und sind wichtig. [00:47:52] Speaker A: Ja, zum Beispiel auch bei euch kommen sie zusammen, nicht? Also zum Teil auch in ihrem Büro. Wie läuft das? Wollen wir auch mal diese Gelegenheit, Sarah Bruckner, nehmen und benutzen, um mit vielleicht irgendeinem Mythos aufzuräumen? Nämlich jenen, dass sie, die sie in Brüssel für unsere europäischen Rechte mit globaler Auswirkung kämpfen, eigentlich nur in der First Class im Flieger sitzen, Und zwar von Dienstag bis Donnerstag dann in Brüssel sind. Freitag ist sowieso niemand mehr da und so weiter. Und alles um wahnsinnig viel Kohle und sehr viel Achtung in der Gesellschaft. Ich habe jetzt ein bisschen zu gespitz formuliert. Ich wollte Sie provozieren. Ist mir das gelungen? [00:48:43] Speaker B: Naja, ich glaube, Sie treffen einen Punkt, weil viele Menschen jetzt nicht das Gefühl haben, dass die EU für sie arbeitet. Ich habe zufällig gerade die aktuelle Eurobarometer-Umfrage gelesen und das ist schon interessant, weil neun von zehn Leuten, das hätte ich nicht gedacht, sagen, dass für sie das soziale Europa persönlich wichtig ist. Und das finde ich schon eine sehr starke Aussage, auch vor der EU-Wahl, dass es schon die Wahrnehmung gibt, Da kommen, also von Europa kommen die Entscheidungen und das soziale Europa ist für mich wichtig und macht für mich etwas. Und jetzt gerade in der letzten Legislaturperiode, also in der zu Ende gehenden Legislaturperiode, sind, glaube ich, wirklich auf EU-Ebene einige einige Rechtsakte gelungen, die wirklich im täglichen Leben für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Unterschied machen, wenn sie dann tatsächlich in die Umsetzung und in die Anwendung kommen. Da ist die Plattform-Arbeitsrichtlinie ein Beispiel. Das Lieferkettengesetz natürlich auch im übergeordneten Sinn, die Mindestlohnrichtlinie wurde in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Und ich denke, was manchmal fehlt, ist einerseits das Bewusstsein, dass ja sozusagen die Mitgliedstaaten ja das alles mitentscheiden in Brüssel und genauso die Parlamentare. Also man kann ja nicht einfach sagen, das passiert jetzt in Österreich und das passiert in der EU. Österreich ist ja überall mit am Verhandlungstisch. Das kommt manchmal in den Medien dann nicht so ganz durch. Aber es hat mich jedenfalls schon auch Ein wenig überrascht. Verwundert, ja, überrascht, dass die Leute sagen, ja, mir ist das persönlich wichtig. Also das heißt, da gibt es schon irgendeinen Bezug und das ist jetzt vielleicht nicht mehr ganz so weit weg und abgehoben, wie es vielleicht schon mal war. [00:51:03] Speaker A: Ja. [00:51:04] Speaker B: Wie auch immer, wie man dann dieses Umfrageergebnis interpretieren kann. Aber schon bemerkenswert aus meiner Sicht. [00:51:10] Speaker A: Ja, ja. Also abschließend, ich denke viel an euch. Wirklich. Ja, ich habe mich nämlich dazu gezwungen. Es war nicht immer so. Man muss auch für mich sagen, ich habe eine Zeit lang aufgrund der Entsendungen personeller Art meine Zweifel gehabt, um es mal ganz euphemistisch auszudrücken. Das hat sich gelegt. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, jedes Mal, wenn ich im Ausland bin und arbeite, dass wenn ich dann zu Hause anrufe, entweder in meinem Unternehmen oder die Familie und so weiter, dass ich jedes Mal sage, danke Europa, weil ich weiß, dass innerhalb von Europa ich genauso viel zahlen würde als jetzt innerhalb Österreichs für mein Telefon an. Das mag vielleicht banal sein. Vielleicht haben wir uns alle auch schon viel zu schnell daran gewöhnt. Aber erinnern wir uns, was das für ein Zetamordio war. Was das für eine Riesenentscheidung wurde, der Familienrat am Strand einberufen. Ob jetzt das lohnt, die Oma anzurufen zum Geburtstag und so weiter. Die EU ist gut für uns. Gewöhnen wir uns doch an jedes Mal, wenn wir uns daran erinnern, sagen, um es vielleicht auch ein wenig persönlicher zu machen, Danke, Sarah Brugger. Oder danken wir der Sarah Bruckl, all den Sarahs in Brüssel und wo sie arbeiten, dass sie sich so reinhauen für uns. [00:52:47] Speaker B: Genau, ich glaube, wir müssen das auch weiterhin tun. Wir können die EU leider nicht uneingeschränkt loben. Wir müssen ständig daran arbeiten, dass sich was verbessert. Wir haben sehr viel Kritik und sehr viel Probleme auch an der Binnenmarktorientierung, die dann doch im Zweifel wieder die Rechte der Arbeitnehmer sozusagen aussticht. Das ist ein großes Problem für uns, aber umso wichtiger ist es, glaube ich, schon jetzt, wo die EU-Wahl bevorsteht, auch auf die Erfolge hinzuweisen, die wir erkämpft haben. Und ja, vielleicht ist das ja ein schönes Schlusswort. Das Lieferkämpfengesetz ist jedenfalls eines der Erfolge, einer der Erfolge. [00:53:32] Speaker A: Und mein Schlusswort heißt Danke, Sarah Bruckner. Einmal mehr. Alles Gute. Vielen Dank. Die Arbeiterkammer NÖ hat eine neue App, die AK-Blitz-App. Ab sofort zum Downloaden. Bleiben Sie am Laufenden, erhalten Sie alle relevanten Informationen. Und Sie wissen ja, noch nie war es so wertvoll zu wissen, wo man seine Informationen her hat. Die AK-Blitz-App. Ab sofort zum Downloaden. Das war der Montag. Chefredaktion Susanne Karner, Redaktion Mario Gattinger und Carina Karras, Straßenumfragen Christoph Baumgarten, Faktenbox Bettina Schapsschneider, Technische Leitung Stefan Dangel, Administration Christina Winkler, am Mikrofon Alexander Göbel.

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